Ruler Elbmiezen

Elbmiezen: Rulerzähmen für Anfanger

Ich habe seit einigen Jahren neben dem Nähen von Kleidung und Taschen eine inzwischen nicht mehr ganz so heimliche zweite Liebe, das Patchworken und Quilten – wobei ich mich momentan mehr als Patchworker, denn als Quilter sehe. Aber wer weiß, wohin die Reise noch gehen wird.

Die Sache ist, dass das Sandwich aus Top, Batting und Backing erst durch die Quiltnähte richtig an Stabilität gewinnt – ums Quilten komme ich also nicht herum. Neben den ganz grundlegenden Designs gibt es zum Glück jede Menge Geradstich-Quilting-Vorlagen in unterschiedlicher Komplexität für das Quilten mit der Nähmaschine, die für Abwechslung sorgen und das Design des Tops unterstützen können (da kann ich euch zum Beispiel “Walk” von Jacquie Gering ans Herz legen).

Da ich aber ein großer Fan von ganz kleinen Dingen bin, bewundere ich oft die mit der Longarm bearbeiteten Quilts und ihre Detailtiefe, die die obigen Vorlagen in der Form meist nicht erreichen. Aber ist sowas mit der Nähmaschine möglich? Und dann auch als noch nicht so versierter Quilter? Die Lösung könnte im Rulerwork liegen, also dem Quilten entlang von Linealen, um Muster zu erzeugen. Ein Versuch …

Was braucht’s dafür? Einen Rulerfuß und eine geeignete Schablone. Mit meiner Bernina B740 habe ich den Bernina Rulerfuß #72S zusammen mit den Bernina Echoquilt-Klipps, einem Formschablonen-Set von Bernina sowie dem Cable-Ruler von Handi Quilter ausprobiert.

Der Rulerfuß #72S ist für 1/4“-Formschablonen geeignet, aber zum Beispiel auch fürs Freihhandquilten. Unabhängig davon, ob er mit oder ohne Schablone benutzt wird, sind ein paar Punkte vorab zu beachten.

Beachten:

  • Quiltnadel einsetzen. Unterfadenspule mit demselben Garn wie der Oberfaden vorbereiten und einsetzen.
  • Den Transporteur versenken – die Bewegung erfolgt über die eigenen Hände.
    Bei meiner Bernina lässt sich der Transporteur durch eine Taste seitlich unten am Gerät senken und heben. Im Display wird zusätzlich noch angezeigt, wie der Status ist.
  • Anschiebetisch anbringen oder besser noch einen Quiltanschiebetisch – zusätzliche Fläche macht das Arbeiten mit Schablonen einfacher.
  • Rulerfuß einsetzen.
  • Geradstich wählen. Die Stichlänge wird letzten Endes über die Bewegung der Hänge gesteuert. Gegebenenfalls muss die Spannung des Oberfadens etwas gelockert werden (ausprobieren).
  • Ein vorbereitetes, mit Führungslinien markiertes Sandwich unter den Rulerfuß legen.
  • Nähfuß absenken und prüfen, ob sich der Stoff darunter gerade eben noch bewegen lässt. Liegt er stattdessen zu locker oder zu fest, kann die Nähfußhöhe über das Verstellrad (das goldene Rädchen oben im Bild) angepasst werden.
  • Den Oberfaden einfädeln und den Unterfaden auf die Stoffoberseite holen, damit beide beim Start zusammen festgehalten werden können.

Da ich mit einem Freihhandfuß bisher keinerlei Erfahrung hatte, habe ich auf einem Sandwich einige “Schwungübungen” gemacht, da das Nähgefühl doch ein ganz anderes ist, was Koordination und Stichlänge angeht. Ich bin danach recht schnell zu den Schablonen übergegangen, kann aber nur empfehlen, doch etwas Geduld zu haben und erstmal mehr mit dem Rulerfuß alleine zu üben, um mehr Sicherheit zu bekommen.

Als nächstes habe ich dann probiert, wie das Zusammenspiel von Rulerfuß und Schablone funktioniert. Das Set von Bernina enthält fünf ganz verschiedene Schablonen, von denen mich ad hoc die Wellenformen ansprach, weil ich an sich schon gerne Wellenmuster auf Quilts mag. Die Schablone könnte ich mir zum Beispiel sehr schön für einrahmende Elemente vorstellen, aber auch, um einen Block selber damit zu quilten.

Von der Länge her ist die Wellenschablone das größte Lineal aus dem Set von Bernina und auch an der Grenze dessen, was gut bei begrenzter Auflagefläche zu handhaben ist. Dennoch: Die Arbeit mit der Schablone ging direkt leicht von der Hand. Für mich Freihandfuß-Anfänger sorgte das Lineal für deutlich mehr Stabilität und durch die relativ sanfte Wellenform war das Führen des Stoffen gut machbar.

Was ich schnell gemerkt habe ist, wie wichtig es ist, den Nähfuß wirklich fest an der Schablone entlang zu führen, damit das Muster auch exakt verläuft und die Stichlänge gleichmäßiger ist. Nach ein paar Wiederholungen stellt sich da schnell eine Routine ein.

Das so entstandene Wellenmuster habe ich direkt genutzt, um auch die Echoquilt-Klipps auszuprobieren. Die Klipps sind kreisförmige Kunststoffscheiben mit einem Radius von 0,5, 0,75 und 1,0 Inch, die mit einer Aussparung in ihrer Mitte an den Rulerfußes angesetzt werden. Mit ihnen können zum Beispiel Muster eingerahmt werden oder wiederholt werden.

Wichtig ist, beim Einsetzen zu kontrollieren, ob die Klipps auf der Unterseite auf einer Ebene mit der Sohle liegen – sitzen sie tiefer, verändert sich damit die Nähfußhöhe und der Stoff darunter lässt sich ggf. nicht mehr wie zuvor eingestellt bewegen. Die Klipps haben zudem genau wie der Rulerfuß einen seitlichen Durchbruch. Bündig eingesetzt lässt sich dadurch das Garn führen.

Im direkten Vergleich zu der Wellen-Schablone fühlt sich das Quilten mit den Echoquilt-Klipps eher wie Freihandquilten an, was ich auch an der etwas unsichereren Naht sehen konnte. Ich habe hier die Größen 0,5 und 0,75 Inch genutzt, mit denen ich Wiederholungen der obigen Wellen gequiltet habe.

Anstelle von Quiltmustern können natürlich zum Beispiel auch Konturen des Patchworks wiederholt werden, wie hier entlang des Halbkreises eines Drunkard’s Path, wo ich alle drei Größen der Echoquilt-Klipps ausprobiert habe. Im direkten Vergleich der drei Größen fand ich den 1 Inch-Klipp am einfachsten zu handhaben, was vielleicht an seiner Größe liegt.

Eine weitere Schablone aus dem Formschablonen-Set, die auf mich erstmal unscheinbar wirkte, aber, wie ich dann feststellte, ganz viel Potential hat, ist die Kreisschablone, mit der sich Kreise unterschiedlicher Durchmesser quilten lassen. Eine Spielvariante davon ist das ebenfalls im Set enthaltene Oval.

Da die Kreise in der Schablone zwar ineinander geschachtelt sind, aber nur locker von einem Querstück gehalten werden, sollten sie mit Washi-Tape, Tesa o.ä. fixiert werden. Wichtig ist dabei auch, darauf zu achten, dass das Querstück bündig mit dem Kreis schließt, da ansonsten eine Kante hervorsteht, die die Quiltbewegung stört und zu einem unsauberen Stichbild führt. Im Bild unten ist zu erkennen, dass das Querstück ganz leicht in den Kreis ragt, so dass bei mir der Rulerfuß später daran aneckte.

Kreisbewegungen waren für mich beim Testen der Schablonen grundsätzlich die größte Herausforderung, um ein gleichmäßiges Stichbild hinzubekommen. Zudem habe ich dabei auch gemerkt, wie wichtig es ist, dass die Schablone ruhig und fest auf dem Stoff liegt. Ich habe mir provisorisch mit flachen, lösbaren Antirutsch-Klebern abgeholfen. Es gibt beim nähPark aber auch extra Klebestreifen von Handi Quilter (“Handi Grip”) oder Antirutsch-Spray (Odif).

Letzten Endes macht es der Mix aus Übung, Konzentration und Geduld. Und im Zweifel auch der wiederholte Einsatz des Nahtauftrenners.

Aber ich bleibe dran, denn: Dank der Markierungen an den Kreisschablonen sind mit der an sich einfachen Form noch ganz andere, komplexere Spielereien möglich sind wie diese hier (Seed Design; Anleitung in einem Videoclip von Geraldine Wilkins für Bernina), bei der in rotierenden Viertel-, Halb und Dreiviertelkreisen gequiltet wird. Wichtig dabei ist, bei Drehen des Lineals immer auf den Abstand von ¼ Inch zum bereits gequilteten Musters zu achten.

Das Muster ist wie folgt:

Rot: ¼ Kreis nach oben links
Grün: 3/3 Kreis nach unten links
Gelb: ½ Kreis nach unten mittig
Lila: ¼ Kreis nach oben mittig
Orange: ¾ Kreis zurück nach unten rechts
Blau: ½ Kreis zurück nach unten mittig

Das ist noch längst nicht perfekt und muss es vielleicht auch gar nicht sein. Der Punkt ist vielmehr, dass es unglaublich viel Spaß macht und mir nochmal ganz andere gestalterische Möglichkeiten eröffnet.

Nach dieser einfachen Form, mit der ganz komplexe Sachen machbar sind, komme ich nun noch zu einem Lineal, das ich erst viel zu komplex für mich eingeschätzt hatte: die Cable-Schablone von Handi Quilter, mit der sich Zopfmuster quilten lassen. Tatsächlich ist es aber so, dass man durch die Nummerierung auf der Schablone ganz leicht durch das Muster geführt geführt wird. Außerdem ist das Lineal aufgrund seiner Einteiligkeit und von seiner Größe her auf einem Standard-Anschiebetisch sehr gut zu handhaben.

Auf hier gilt letztlich: Übung macht den Meister. Eine rutschfeste Lage der Schablone und ein genaues Nähen bis zu den Markierungen führen recht schnell zu einem schönen Ergebnis. Und wie bei der Kreisschablone macht dieses Teil echt Freude – und ist neben dieser ganz klar mein Favorit.

Je nachdem, welche der Nummerierungen man nutzt, lassen sich damit geschlossene, offene, breite und schmale Muster quilten. Ich sehe da schon jede Menge Quiltumrandungen.

Die Muster lassen sich wie folgt erstellen:

Pink:
  • Von Position 1 bis Position 2 quilten (A).
  • Dann zurück bis auf Position 4 (B).
  • Das Lineal nach unten verschieben, so dass die vorher an Position 4 stehende Nadel nun an der Position 1 anliegt (C). Zur Orientierung sollte das bereits gequiltete Muster unter den Führungslinien des Lineals liegen. Nun das vorhergehende Schema beliebig wiederholen.
Blau:
  • Von Position 1 bis Position 3 quilten (A).
  • Dann zurück bis auf Position 4 (B).
  • Das Lineal nach unten verschieben, so dass die vorher an Position 4 stehende Nadel nun an der Position 1 anliegt (C). Zur Orientierung sollte das bereits gequiltete Muster unter den Führungslinien des Lineals liegen. Nun das vorhergehende Schema beliebig wiederholen.
Gelb:
  • Von Position 1 bis zur senkrechten Orientierungslinie quilten (A).
  • Dann zurück bis auf Position 4 (B).
  • Das Lineal nach unten verschieben, so dass die vorher an Position 4 stehende Nadel nun an der Position 1 anliegt (C). Zur Orientierung sollte das bereits gequiltete Muster unter den Führungslinien des Lineals liegen. Nun das vorhergehende Schema beliebig wiederholen.

Zusammenfassend muss ich gestehen, dass mein Ausflug in die Welt von Rulerwork meinen Nähhorizont ordentlich erweitert hat und ich nun Blut geleckt habe. Es gibt sicher das eine oder andere Hilfsmittel, um das Stichbild noch weiter zu verfeinern oder die Handhabung zu vereinfachen – eine Geradstichplatte zum Beispiel, oder eine Abdeckung für den Transporteur, eine Gleitmatte, einen größeren Anschiebetisch. Aber grundsätzlich finde ich: Um Ruler zu zähmen braucht es gar nicht so viel mehr als klein anzufangen, Geduld, Übung und eine gewisse Präzision.

Im Beitrag verwendete Produkte
Wer schreibt hier?

Corinna von Elbmiezen

 

Corinna näht mit Leidenschaft verschiedenste Projekte, aber immer in klaren Formen und einer tollen Farbharmonie.

Ihre Werke entstehen auf einer Bernina B740, die leider so nicht mehr erhältlich ist. Als Nachfolger zählt die B770. 

Noch mehr Beiträge dazu

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Comments Box SVG iconsUsed for the like, share, comment, and reaction icons
4 days ago

Angst vor Stoffen? Hört man oft, wenn es um feine oder rutschige Sorten geht. Aber das muss nicht sein!
Christina von @bara_studio erklärt euch jetzt auf www.naehratgeber.de, wie ihr Viskose und Co. beim Zuschnitt und beim Nähen bändigen könnt.
Was sind eure Top-Tipps für glitschige Stoffe?
#nähen #nähmaschine #nähtipps #nähtipp #nähratgeber #stoffe
... Mehr sehenWeniger sehen

Hier klicken, um den Inhalt von Facebook anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von Facebook.

Angst vor Stoffen? Hört man oft, wenn es um feine oder rutschige Sorten geht. Aber das muss nicht sein!
Christina von @bara_studio erklärt euch jetzt auf www.naehratgeber.de, wie ihr Viskose und Co. beim Zuschnitt und beim Nähen bändigen könnt.
Was sind eure Top-Tipps für glitschige Stoffe?
#nähen #nähmaschine #nähtipps #nähtipp #nähratgeber #stoffeImage attachment

Infos zu den Produkten der H&H
.
Petra und Tanja waren in Köln auf der Messe und berichten, was sie entdeckt haben.
Zusätzlich gibt es wieder eine ganz besondere Info für alle nähPark-Fans 🤩
Noch Fragen? Einfach hier drunter kommentieren.
#nähpark #hundhköln #hhcologne
...

156 7

Reparieren statt wegwerfen! Romina zeigt euch jetzt auf www.naehratgeber.de, wie man Flicken annäht und was man dabei beachten muss.
#reparierenstattwegwerfen #nähmaschine #nähen #nähtipp
...

46 0