Beim Nähen von Taschen habe ich früh angefangen, mich mit Materialien zu beschäftigen, die wasserabweisend sind, sodass meine Taschen auch bei einem Regenschauer praktikabel sind. Bei Kunstleder, Wachstuch und Co kommt man leider schnell an seine Grenzen: Das Material ist zu dick, es kommen zu viele Lagen aufeinander oder die Designauswahl ist nicht die, die man im Kopf hatte. Gerade der letzte Punkt ist für mich entscheidend dafür gewesen, dass ich schon vor einigen Jahren angefangen habe, mich nach Möglichkeiten umzusehen, mit denen ich einen Patchworkstoff oder Canvas selbst beschichten kann. Nach einigen Fehlversuchen mit der Bügelfolie Lamifix bin ich auf Odicoat von Odif gestoßen und seitdem beschichte ich am liebsten damit.
In diesem Beitrag zeige ich dir, was Odicoat genau ist, teile meine Tipps zum Auftrag, sodass du ein perfektes Ergebnis erhältst und vor allem, ob sich die Mühe auch lohnt und der Stoff auch auf Dauer geschützt ist.
Ich weiß, wenn du die pingelige Anleitung gleich liest, erwecke ich den Eindruck, dass der Auftrag wahnsinnig kompliziert ist. Ich verspreche dir, wenn du die Tipps einfach Stück für Stück abarbeitest, ist es leichter, als du auf den ersten Blick vermutest! Ich empfehle dir, einfach mal ein kleines Probestück zu machen und du wirst sehen, das Ergebnis kann sich sehen lassen!
Haltbarkeit
Ich starte mit der Haltbarkeit. Denn das war für mich zu Beginn die drängendste Frage. Wenn ich ein Taschenprojekt, dass mich je nach Aufwand und Material viel Geld gekostet hat, damit beschichte, möchte ich sicher gehen, dass ich auch lange etwas davon habe und die Beschichtung nicht abbröselt oder durchlässig wird.
An diesem Turnbeutel lässt sich genau das am besten zeigen. Hier habe ich den blumigen Canvas im Sommer 2021 mit drei Schichten behandelt und den Turnbeutel in den letzten dreieinhalb Jahren ständig genutzt: Bei Wind und Wetter, bei Regen, in der salzigen Nordseeluft, am Strand oder wie hier auf Konzerten. Überall! Und dabei habe ich natürlich besonders den Tunnelzug durch ständiges Öffnen und Schließen beansprucht: der Stoff wurde hier also nicht gerade geschont und dauernd zusammengeschoben und bewegt.
Wie du sehen kannst, sieht man nichts von Abnutzungserscheinungen. Die Beschichtung hat all das tapfer durchgestanden und schützt auch weiterhin vor Wasser. Hier habe ich Wasser auf den Stoff gekippt, es perlt weiterhin zuverlässig vom Stoff ab. Nur gewaschen werden könnte er mal. Denn Odicoat ist bei 30°C im Schonwaschgang waschbar. Das habe ich bisher jedoch nicht getestet.
An meinem Schulrucksack ist es genauso: Ihn habe ich im Dezember 2022 genäht und auch hier den blumigen Canvas mit drei Schichten behandelt. Der Rucksack ist täglich im Einsatz und wird von Klassenraum zu Klassenraum geschleppt, ständig geöffnet und geschlossen, im Auto auf die Rückbank gepfeffert und bei Wind und Wetter über den Schulhof geschleppt. Auch hier zeigt sich keinerlei Spur von Abnutzung des Odicoats.
Schnittmuster: Roano von Hansedelli
Damit ist die Frage zur Belastbarkeit und Langlebigkeit geklärt und wir können uns mit dem Odicoat und vor allem den Tipps und Tricks zur perfekten Anwendung beschäftigen.
Meine Tipps und Tricks für ein perfektes Ergebnis
Ich zeige dir hier die Anwendung von Odicoat an meinem Rucksack Veiiko von Hansedelli.
Du benötigst:
- das Odicoatgel
- die mitgelieferte Karte
- eine Unterlage (ich nehme am liebsten Backpapier)
- eine Fusselrolle
- und natürlich deinen Stoff
Der Stoff sollte nur grob zugeschnitten sein und noch nicht die genauen Maße haben, die du am Ende benötigst. Ich schneide rundherum mit einer Zugabe von 2-3cm zu. Dadurch stellst du sicher, dass dein Schnittteil am Ende auch bis zum Rand gleichmäßig und vollständig beschichtet ist
Ich nutze hier einen dünnen und weichen Patchworkstoff und zeige dir jetzt Schritt für Schritt, wie der Auftrag meiner Erfahrung nach am besten gelingt.
Zum Odicoat Gel
Das Gel ist milchig und recht dickflüssig. Das macht den Auftrag sehr präzise, da es sich nicht einfach verteilt und zerfließt, sondern genau dort bleibt, wo du es aufträgst. Das bedeutet allerdings auch, dass du es sehr sorgfältig verteilen und auftragen musst, damit du ein gleichmäßiges Ergebnis erhältst. Das ist mit meinen Tipps aber wirklich einfach!
Entfusseln
Bevor es losgeht, gehe ich mit einer Fusselrolle über meinen Stoff, um ihn von Staub und Fadenresten zu befreien. Alles, was jetzt noch auf dem Stoff ist, bleibt unter der Beschichtung für immer sichtbar. Daher solltest du dir hier wirklich Zeit nehmen und sorgfältig entfusseln.
Auftrag
Odicoat waagerecht verteilen
Bei der ersten Schicht ist es entscheidend, dass du sie wirklich überall aufträgst. Dazu streiche ich das Gel erstmal großzügig waagerecht über die gesamte Fläche und den Stoffrand hinaus in einer deckenden Schicht auf. Arbeite hier lieber in einer dünneren Schicht, achte jedoch darauf, dass das ganze Stoffstück bedeckt ist.
Senkrecht verteilen
Diagonal verteilen
Auftrag überprüfen
Die erste Schicht ist jetzt aufgetragen. Nun gilt es, einige Punkte zu überprüfen, damit du am Ende ein wirklich makelloses Ergebnis erzielst.
Glatter Auftrag
Als erstes kontrolliere ich, ob der Auftrag wirklich ganz glatt ist. Das Gel trocknet jetzt genauso wie es ist. Jeder Streifen, der jetzt noch sichtbar ist, bleibt auch nach dem Trocknen. Das Gel trocknet zwar transparent, jedoch siehst du die erhabenen Unebenheiten hinterher in deinem Projekt. Daher lieber jetzt einen Moment länger investieren und genau hinschauen. Ich streiche einfach so lange kreuz und quer über die Streifen, bis das Gel vollständig eingearbeitet ist und nehme ggf. den Überschuss mit der Karte ab.
Flecken
Das Gel ist feucht und zieht dementsprechend in den Stoff ein. Je nachdem, wie dein Stoff gemustert ist, kannst du nun sehen, ob der Auftrag wirklich gleichmäßig eingezogen ist. Auf dem pinken Hintergrund siehst du, dass noch ein paar hellere Stellen übrig sind. Hier ist weniger Gel aufgetragen als an den umliegenden Flächen. Das korrigiere ich, indem ich hier nochmal Gel auftrage und in alle Richtungen verteile. Auch hier gilt: Jeder Fleck, der jetzt nicht korrigiert wird, bleibt unter der Beschichtung dauerhaft sichtbar. Also solltest du auch hier wirklich genau hinschauen und ggf. nacharbeiten.
Fusseln
Egal wie sorgfältig du in Schritt 2 entfusselt hast: Solange du nicht in einem kontaminierungsfreien Raum arbeitest, werden sich doch nochmal kleine Fussel auf deinem Gel ablegen. Solange es noch nicht getrocknet ist, kannst du sie mit einer spitzen Pinzette (ich liebe bekanntermaßen die von Bernina) rauspicken und die Stelle vorsichtig mit dem Finger glattstreichen. Einmal eingeschlossen und angetrocknet bleiben die Biester ansonsten für immer.
Trocknen lassen und weitere Schichten auftragen
Lasse die erste Schicht ca. 20-30 Minuten trocknen und beginne dann wieder bei Schritt 3. So trägst du zwei bis drei Schichten auf. Ich mache das ehrlich gesagt nach Gefühl. Meistens nutze ich drei Schichten. Zwischen jeder Schicht lässt du das Gel 20-30 Minuten trocknen und nach der letzten Schicht 24 Stunden.
Nach 24 Stunden kannst du deinen Stoff vom Backpapier ziehen. Die Ränder sehen jetzt etwas ausgefranst aus, aber genau dafür haben wir ja den Überstand gelassen. Schneide das überschüssige Gel knapp ab, ohne das Teil final zuzuschneiden. Mit diesem Zwischenschritt vermeidest du, dass du dir die Beschichtung gleich auf deiner Bügelunterlage festklebst.
Bügeln oder Pressen
Um die Beschichtung zu fixieren, wird sie nun gebügelt oder gepresst. Lege Backpapier auf den Stoff, um deine Presse oder das Bügeleisen zu schützen. Nutze an deinem Bügeleisen die mittlere Stufe für Wolle und Seide (zwei Punkte) oder stelle deine Presse auf 150°C ein. Ich presse, da ich somit die Hitze gleichmäßiger und großflächiger verteilen kann (s. Beitrag Presse vs. Bügeleisen). Bügele oder Presse jede Stelle für ca. 15 Sekunden und lasse deinen Stoff anschließend abkühlen.
Zuschnitt und Verarbeitung
Jetzt kannst du das ausgekühlte Teil zuschneiden und verarbeiten. Da der Stoff jetzt beschichtet ist, verhält er sich unter der Maschine ähnlich wie Wachstuch. Er wird deinen normalen Nähfuß also stoppen. Daher solltest du einen Gleitfuß verwenden. Er lässt sich von der Beschichtung nicht bremsen und dein Stoff gleitet wie gewohnt unter deiner Maschine und lässt sich einwandfrei transportieren.
Farbvergleich
Zum Abschluss zeige ich dir noch einen Vorher/Nachher-Vergleich des Stoffes. Wie du siehst, ist die Beschichtung kaum sichtbar und hat den Stoff nur ein klein wenig satter gemacht. Außerdem glänzt er jetzt matt. Ich hatte bisher auch bei hellen Stoffen keine großen Farbunterschiede. Lediglich die Intensität nimmt ein wenig zu.
Ich hoffe, ich konnte dir das Beschichtungsgel Odicoat von Odif etwas näherbringen und dir vor allem die Angst davor nehmen. Ich jedenfalls möchte für stark beanspruchte Taschenprojekte nicht mehr darauf verzichten.
Dieser Beitrag stammt von Täschis Nähstube.
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